Szenarien der möglichen Weiterentwicklung des dualen Systems

Um Aussagen für die mögliche künftige Entwicklung des dualen Systems und dessen Potenziale treffen zu können, untersucht das Öko-Institut in drei Szenarien bis zum Jahr 2030 den Einfluss verschiedener relevanter Rahmenbedingungen. Diese Szenarien bieten erstmals eine Grundlage, um die Potenziale des dualen Systems fundiert abschätzen zu können.

Szenario 1

In Szenario 1 wird angenommen, dass im Jahr 2030 mit 2,5 Millionen Tonnen die gleiche Menge Leichtverpackungen gesammelt wird wie im Jahr 2014, dass allerdings der heutige Stand der Technik in der Sortierung von Wertstoffen in allen Sortieranlagen in Deutschland umgesetzt wird. Damit würde das gesamte heutige Potenzial zur stofflichen Verwertung optimal genutzt. Es handelt sich hierbei um ein Szenario mit einer ersten, moderaten Weiterentwicklung des Systems.

Szenario 2

In Szenario 2 wird zusätzlich zu der Annahme aus Szenario 1, dass der heutige Stand der Technik in der Breite umgesetzt wird, davon ausgegangen, dass die Wertstofftonne - also die gemeinsame Erfassung von Verpackungen und weiteren Stoffen aus Kunststoff und Metall, sogenannten stoffgleichen Nichtverpackungen -eingeführt wird. Damit würde eine entsprechende Steigerung der Sammelmenge einhergehen. In Szenario 2 wird eine zusätzlich erfasste Menge von sieben Kilogramm stoffgleicher Nichtverpackungen je Einwohner und Jahr veranschlagt. Daraus ergibt sich eine Gesamtmenge von 3,1 Millionen Tonnen.

Szenario 3

Szenario 3 legt zusätzlich die Annahme zugrunde, dass die trotz eingeführter Wertstofftonne noch nicht genutzten Erfassungspotenziale nun besser ausgeschöpft werden - durch ein deutschlandweites Holsystem für Leichtverpackungen und stoffgleiche Nichtverpackungen, teilweise als Ergänzung zu Recyclinghöfen. Zusätzlich würden verursachergerechte Abfallgebühren eingeführt, auch im Geschosswohnungsbau, und durch intensive Abfallberatung ergänzt. Es wird angenommen, dass so 37,5 Kilogramm Leichtverpackungen je Einwohner und Jahr beim Endverbraucher getrennt vom Restmüll erfasst werden können. Diese Menge wird heute bereits in etwa 75 Prozent der Kreise erreicht und ist somit ein konservativer Wert. Außerdem würden Verpackungen an ähnlichen Anfallstellen im Gewerbe erfasst. Daraus resultiert eine Sammelmenge von insgesamt vier Millionen Tonnen.

In Sensitivitätsanalysen wird zusätzlich der Einfluss verschiedener absehbarer Entwicklungen auf das duale System untersucht, so beispielsweise der Ausbau erneuerbarer Energien. Denn ein veränderter Strommix wirkt sich auf die Ökobilanz des dualen Systems aus. Prozesse, die Strom zur Verfügung stellen, erhalten dadurch in der Bilanzrechnung geringere Gutschriften. Der Stromverbrauch derjenigen Prozesse, die zur Aufbereitung von Wertstofffraktionen aus den Abfällen notwendig sind, fällt gleichzeitig weniger stark ins Gewicht.

Die Entlastung der Umwelt kann bei einer positiven Entwicklung der Rahmenbedingungen noch deutlich gesteigert werden.

Die Szenarienbetrachtung zeigt auf, dass durch die flächendeckende Einführung einer gemeinsamen Erfassung von Verpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen und deren Verwertung nach dem aktuellen Stand der Technik der Klimaschutzbeitrag durch die Verwertung von Leichtverpackungen um weitere 74 Prozent gesteigert werden könnte. Das entspricht zusätzlichen etwa 1,4 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr oder der Menge an Treibhausgasen, die 385.000 Pkw der Kompaktklasse in einem Jahr verursachen. Der Beitrag zum Klimaschutz durch das duale System würde damit auf 3,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr steigen. Der größte Zuwachs an positivem Beitrag ergibt sich dabei zwischen den Szenarien 1 und 2 sowie zwischen den Szenarien 2 und 3.

 

 

Klar wird auch: Durch eine Veränderung des Strommixes im Rahmen der Energiewende wird der ökologische Beitrag der stofflichen Verwertung, insbesondere im Vergleich mit der energetischen Verwertung, weiter ansteigen. Die Abfallhierarchie, die die stoffliche Verwertung höherwertiger einstuft als energetische Verfahren, wird durch dieses Ergebnis klar bestätigt.

Durch höhere Recyclingquoten und eine Ausweitung der Erfassungsmenge könnte die Verwertung von Leichtverpackungen in Verbindung mit der effizienten energetischen Verwertung der Aufbereitungsreste aus dem stofflichen Recycling sogar über 3,5 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente jährlich einsparen. Berücksichtigt man zusätzlich das Recycling von PPK und Glas und geht von stabilen Entlastungsbeiträgen dieser Fraktionen aus, steigen die Klimaschutzbeiträge bis zum Jahr 2030 auf über 4,7 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente pro Jahr an.

Auch bei den Umweltkriterien Versauerungspotenzial, Eutrophierungspotenzial und Primärenergiebedarf ist der Sortierung und Verwertung durch das duale System ein klar positiver Beitrag zum Umweltschutz zuzurechnen. Über alle Umweltkriterien ist das Szenario 3 mit den größten Ressourcen- und Umweltentlastungen verbunden. Der gezielte Ausbau des dualen Systems wäre also mit weiteren positiven ökologischen Effekten verknüpft. Berücksichtigt man, dass in dieser Studie mit äußerst konservativen Modellen gerechnet wird, ist bei einer gezielten Förderung und einem ambitionierten Ausbau des dualen Systems anzunehmen, dass noch größere Potenziale des bestehenden Systems gehoben werden können, etwa durch zusätzliche Innovationen in der Sortiertechnik oder durch eine noch effizientere Stoffaufbereitung.

Auch für alle anderen in der Ökobilanz betrachteten Umweltkategorien ist der Beitrag des dualen Systems zum Ressourcen- und Umweltschutz klar ersichtlich.

Die Versauerung der Böden wird verringert, die Belastung durch Phosphatäquivalente, die sogenannte terrestrische Eutrophierung, erheblich reduziert und darüber hinaus werden fossile energetische Ressourcen, beispielsweise Kohle und Öl, eingespart. Unter Umweltgesichtspunkten ist Recycling dabei in der Gesamtschau den Verfahren der energetischen Verwertung überlegen.

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN

Duales System gezielt weiterentwickeln

 

Die Analyse der Szenarien erlaubt einen Blick auf die Zukunft des dualen Systems und macht deutlich: Es birgt große Potenziale. Bei der richtigen Weiterentwicklung spielen politische Entscheidungen eine besonders große Rolle. Vielversprechend erscheinen auf Basis der Ergebnisse dieser Studie vor allem

 

  • die Einführung ambitionierterer Recyclingquoten,
  • die Erweiterung der Produktverantwortung auf stoffgleiche Nichtverpackungen,
  • die Optimierung der Erfassung, beispielsweise über die flächendeckende Einführung von Holsystemen und eine verursachergerechte Gebührenberechnung,
  • Anreize für die Verwendung recycelbarer Materialien in Leichtverpackungen (Design for Recycling).

All diese Schritte würden dazu beitragen, die stoffliche Verwertung von Wertstoffen zu fördern – zum Nutzen der Umwelt.

 

Der Kreislaufwirtschaft weiteren Schub verleihen – in Deutschland und Europa

Das Prinzip, Kreisläufe zu schließen und Wertstoffe zu recyceln, anstatt sie der Verbrennung zuzuführen, liegt im Zentrum der Vision einer echten Kreislaufwirtschaft. Ihre Weiterentwicklung sollte deshalb mit Elan vorangetrieben werden. Dazu ist auf europäischer Ebene ein ambitionierter übergeordneter Rahmen notwendig. Noch immer werden zu viele Wertstoffe deponiert oder verbrannt. Auch auf deutscher Ebene sind weitere Schritte notwendig, um das bewährte System weiter auszubauen und durch die richtigen Rahmensetzungen die weiteren Klima- und Umweltschutzpotenziale zu heben.