Kunststoffrecycling hat in Deutschland großes Entwicklungspotenzial. Ein funktionie­render Markt für Rezyklate hat sich bereits etabliert. Das duale System hat dazu einen maßgeblichen Beitrag geleistet und seinen ökonomischen Nutzen darüber hinaus kon­sequent ausgebaut. Bei der weiteren Entwicklung spielen die Rahmenbedingungen eine entscheidende Rolle.

Die Nachfrage nach Premium-Rezyklaten und deren Anwendungsbereiche nehmen stetig zu. Investitionen sind jedoch notwendig, um diesen Markt nachhaltig erschließen zu können. Noch bestehen Fehlanreize. Höhere Quoten und Verbesserungen im Vollzug, aber auch die stärkere Berücksichtigung ökologischer Faktoren bei der Gestaltung der Beteiligungsentgelte oder die Ausweitung der Produktverantwortung auf stoffgleiche Nichtverpackungen würden dazu beitragen, die großen ökonomischen Potenziale des Kunststoffrecyclings durch das duale System noch besser zu nutzen.

Ökonomische Perspektiven des Kunststoffrecyclings – die Rolle des dualen Systems

Status Quo

Das Marktvolumen für Recyclingprodukte aus Post-Consumer-Leichtverpackungen (Kunststoff, Aluminium, Weißblech) beträgt heute ungefähr 315 Millionen Euro. Insbesondere der technische Fortschritt und die Verbesserung der Qualität von Rezyklaten waren entscheidend, um diesen Markt zu entwickeln. Das duale System hat hierzu einen maßgeblichen Beitrag geleistet. Wichtigste Impulse waren die vom Gesetzgeber vorgegebenen Quoten für die stoffliche Verwertung in der Verpackungsverordnung, die Öffnung des dualen Systems für den Wettbewerb und die kontinuierlich gestiegene Akzeptanz von Recyclingprodukten durch Unternehmen und Verbraucher.

Dem ökonomischen Gesamtnutzen des dualen Systems von heute circa 960 Millionen Euro stehen jährliche Systemkosten von etwa 775 Millionen Euro gegenüber, sodass sich ein Nettonutzen von 185 Millionen -Euro ergibt. Der ökonomische Nutzen des dualen Systems hat im Zeitverlauf zugenommen, während sich die Systemkosten durch Innovationen und Wettbewerb deutlich verringert haben. Die CO2-Vermeidungskosten des dualen Systems liegen heute mit 17 Euro pro Tonne eingespartem CO2 deutlich niedriger als bei Klimaschutzmaßnahmen zum Ausbau regenerativer Energiequellen – beispielsweise bei weniger als einem Fünftel der durchschnittlichen CO2-Vermeidungskosten regenerativer Energiequellen, die im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gefördert werden. Das Umweltbundesamt (UBA) hat 2014 in einer Vergleichsstudie durchschnittliche Kosten von 77 Euro pro Tonne eingespartem CO2 ermittelt.

Investitionen bleiben unter den derzeitigen Rahmenbedingungen häufig aus, wären aber notwendig, um die vorhandenen Potenziale des dualen Systems bei Sammlung, Sortierung und Verwertung vollständig zu nutzen und einen echten Markt für Premium-Rezyklate zu erschließen. Noch bestehen außerdem Fehlanreize in der Gestaltung der Beteiligungsentgelte, die zu einer Verringerung der Recyclingfähigkeit von Verpackungen und der Qualität des Inputmaterials für das Recycling führen.

CO2-Vermeidungskosten im Vergleich

Perspektiven

Werden bestehende Potenziale in Sammlung, Sortierung und Verwertung genutzt, stoffgleiche Nichtverpackungen gemeinsam mit Verpackungen erfasst und wird ein Markt für Premium-Rezyklate erschlossen, kann der Markt für Kunststoffrezyklate bis 2030 von heute 189 Millionen Euro auf bis zu 1,4 Milliarden Euro wachsen.

Durch die Nutzung der gegenwärtigen Potenziale – die Optimierung der Sammlung, Sortierung und Verwertung, die Einbeziehung stoffgleicher Nichtverpackungen und höhere Quotenvorgaben – könnte der jährliche ökonomische Nutzen des dualen Systems von heute 960 Millionen Euro auf 1,3 Milliarden Euro steigen. Zwar würden durch die Umsetzung dieser Maßnahmen Kosten entstehen, der Nettonutzen des dualen Systems würde sich dennoch deutlich erhöhen.


Das ökologische Image von Unternehmen wird immer wichtiger. In unternehmerischen Entscheidungen gewinnen Corporate Social Responsibility und Instrumente wie Produktökobilanzen an Gewicht. Neue Marktfelder für Rezyklate öffnen sich, insbesondere wenn Qualität und Verfügbarkeit der Sekundärrohstoffe weiter gesteigert werden.

Hintergrund

 

Mehr Recycling! Diese Formel gilt als entscheidender Schritt auf dem Weg zu einer nach­haltigeren Wirtschaft und Gesellschaft. Kreisläufe zu schließen ist für viele angesichts von Klimawandel, Umweltverschmutzung, Bevölkerungswachstum und Ressourcenabhängig­keit nicht nur ökologisch geboten, sondern auch gleichzeitig ein entscheidendes Instru­ment, um die Wirtschaft zukunftsfähig zu gestalten. Für den komplexen und vergleichs­weise jungen Werkstoff Kunststoff gilt dies in besonderem Maße. Seine Wiederverwertung birgt besondere Herausforderungen und Chancen.

 

Deutschland ist im Bereich des Verpackungsrecyclings einer der wichtigsten Vorreiter. 1990 hat der Gesetzgeber die Produktverantwortung eingeführt und damit die Grundlage für das erste duale System zur Sammlung und Verwertung von Verpackungsabfällen geschaffen – die Der Grüne Punkt GmbH. Dies war auch ein Meilenstein auf dem Weg zu geschlossenen Materialkreisläufen, der heute für viele Länder innerhalb und außerhalb Europas Vorbildcharakter besitzt. Das duale System besteht in Deutschland nach der Öffnung für den Wettbewerb aus elf Systembetreibern und der Grüne Punkt wird weit über die Grenzen hinweg genutzt. Er gilt als eines der bekanntesten Markenzeichen überhaupt und steht für Umwelt- und Ressourcenschutz.

EIN BLICK IN DIE ZUKUNFT DES DUALEN SYSTEMS

Doch wie kann mehr Kunststoffrecycling erreicht werden? Wo liegen dessen größte Potenziale und wie können sie genutzt werden? Welche Rolle spielt das duale System dabei? Und welche Hürden müssen überwunden werden, um Kreisläufe besser zu schließen?


Diese Fragen wurden bislang überwiegend aus ökologischer Perspektive gestellt, diskutiert und untersucht. Auch technologische Aspekte wie zum Beispiel die Weiterentwicklung der Trenn- und Sortiertechnik wurden bislang nicht systematisch im Hinblick auf ihr künftiges Potenzial für die Kreislaufwirtschaft betrachtet. Mit der Studie „Ökonomische Perspektiven des Kunststoffrecyclings – die Rolle des dualen Systems“ beleuchtet das RWI – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung im Auftrag der DSD – Duales System Holding GmbH & Co. KG diese Fragen nun aus ökonomischer Perspektive. In der von einem unabhängigen Gutachter geprüften Studie wirft das RWI gleichzeitig einen Blick in die Zukunft. Wohin deuten aktuelle Entwicklungen und Markttrends? Unter welchen Bedingungen lässt sich der Einsatz von Sekundärrohstoffen aus Post-Consumer-Leichtverpackungen ausweiten? Wie wird sich der Markt entwickeln? Die Studie leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Diskussion um effektive Wege hin zu einer Kreislaufwirtschaft.

Heute gehören zur Kreislaufwirtschaft in Deutschland bereits mehr als 10.000 Unternehmen mit über 250.000 Erwerbstätigen (BDE/ITAD/VDMA 2016*). Dennoch steht der Übergang von einer Linear- zu einer Kreislaufwirtschaft ohne Zweifel erst am Anfang. Leuchtturmprojekte zeigen zwar zunehmend, dass sich komplexe Verpackungen, die zu einem Großteil oder komplett aus Rezyklat bestehen, am Markt bewähren können. Doch diese Beispiele bedürfen weiterhin der außerordentlichen Initiative einzelner, meist privatwirtschaftlicher Akteure. Und auch wenn bei Qualität und Quantität von Sekundärrohstoffen in den vergangenen Jahren große Fortschritte erzielt werden konnten, bestehen nach wie vor große Herausforderungen dabei, diese Lösungen zu skalieren.

 

* BDE, ITAD, VDMA (2016): „Branchenbild der deutschen Kreislaufwirtschaft“

Ansatz und Methodik

Das RWI nutzt das Mengengerüst der jüngsten Studie des Öko­Instituts* zu den ökologi­schen Leistungen und Potenzialen des dualen Systems. Verfügbare Daten wertet das RWI mit ökonometrisch basierten Prognoseverfahren aus und nutzt Gespräche mit Experten entlang der Wertschöpfungskette, um die Auswirkungen der aktuellen technologischen Entwicklungen und Markttrends abzuschätzen

 

Das RWI passt in seiner Studie Methodik und Herangehensweise an die Leitfragen und die Verfügbarkeit der quantitativen Kenngrößen an. Expertengespräche wurden genutzt, um ein Bild der neuesten Entwicklungen zu zeichnen und ihre Auswirkungen auf die weitere Entwicklung des Kunststoffrecyclings abzuschätzen. Insgesamt flossen die Erkenntnisse aus mehr als 20 Gesprächen mit Experten entlang der Wertschöpfungskette ein (unter anderem: duale Systeme, Recyclingunternehmen, Sortieranlagenbetreiber, Inverkehrbringer). Die Untersuchung der zukünftigen Entwicklung des dualen Systems greift auf ökonometrisch basierte Prognosen zurück, beispielsweise auf Monte-Carlo-Simulationen. 

 

Der Fokus der Studie liegt auf den vom dualen System gesammelten Leichtverpackungen (LVP) aus Kunststoff. Aber auch andere Materialfraktionen aus der gelben Tonne wie Aluminium und Weißblech werden berücksichtigt.

 

* Öko-Institut (2016): „Recycling ist Zukunft – ökologische Leistungen und Potenziale des dualen Systems“, www.gruener-punkt.de/oeko-studie.